Kentucky - Bourbon, Derby und Ali (2024)

Der Bundesstaat Kentucky bietet mehr als nur Bluegrass-Wiesen und Felder, wie einst die Irokesen meinten.

Louisville

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Für die Mehrheit der Mitteleuropäer steht Kentucky wohl für die frittierten Hähnchenschenkel einer Fast-Food-Kette, die den Namen im Firmenlogo führt. Doch der US-Bundesstaat im Mittleren Westen hat so viel mehr zu bieten. In der Fläche groß wie Island, mit ähnlichen vielen Einwohnern wie Berlin vermag der Bluegrass-State Besucher gleichermaßen zu überraschen wie zu verzücken.

Der knapp zweistündige Flug von New York Richtung Westen ist irgendwie auch eine Reise in die Vergangenheit der Vereinigten Staaten. Denn in Kentucky grasten einst die riesigen Bison-Herden, die in Literatur wie Filmen über die Besiedlung des Kontinents durch die Europäer eine Rolle spielten. In der seinerzeit weit verbreiteten Sprache der Irokesen steht der Name des Staates für Wiese, Aue oder Flur. Die Kolonisierung der neuen Welt spielt schließlich in der Bevölkerungszusammensetzung eine Rolle. Denn nach den Vorfahren gerechnet sind die Deutschen die am zweitstärksten vertretene Volksgruppe. Dass die Hauptstadt des zu den Südstaaten gerechneten Kentuckys Frankfort heißt, überrascht dann wohl niemanden mehr.

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Gelandet wird aber schließlich in Louisville, der größten Stadt mit über 600 000 Einwohnern. Nicht nur der Name, auch die Lilie im Wappen zeugen von einer einst französischen Verbundenheit. Downtown jedoch ist typisch amerikanisch. Direkt am Ohio-River und der Grenze zu Indiana gelegen, wird die unmittelbare City von den gewohnt stylisch designten Wolkenkratzern beherrscht. Über den bis zu einer Meile breiten Fluss spannen sich gleich mehrere imposante Brücken, deren kreisförmige Zufahrten hiesige Autofahrer schwindelig werden lassen. Eine Überquerung ist gar ausschließlich für Fußgänger reserviert. Und von der aus hat der Besucher einen unglaublichen Blick auf die Stadt, den Fluss und den Sonnenuntergang.

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The G.O.A.T. und Colonel Sanders

Wer genau hinschaut, wird dann am südöstlichen Ohio-Ufer einen bekannten Namen entdecken am Muhammad Ali Center. Insider wissen es natürlich, dass The G.O.A.T. (Greatest Of All Time) als Cassius Clay hier in Louisville geboren ist und auch begraben liegt. Die für seine Bedeutung als Sportler und Boxer fast schon bescheidene letzte Ruhestätte wurde auf dem Cave Hill Cemetery errichtet, einer 120 Hektar großen viktorianischen Friedhofsanlage, auf der sich die Geschichte in Gräbern und Monumenten aufsaugen lässt. Den Ali-Stein zu finden, ist dabei alles andere als leicht. Denn die GPS-Daten verweisen lediglich auf das Verwaltungsgebäude. Von dort aus führt allerdings eine farbige Mittellinie auf der Straße zum richtigen Ort. Ja, im Autofahrer-Land USA wird auch der Friedhof auf vier Rädern besucht. Eine andersfarbige Linie weist den Weg zum zweiten bekannten Grab. Es ist das von Colonel Sanders, dem Erfinder und Gründer von Kentucky Fried Chicken, jener Fast-Food-Kette, für die er dann später als Markenbotschafter unterwegs war. Daher ziert das Konterfei des Colonels - der nie in den Streitkräften gedient hat - bis heute das KFC-Logo.

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Von Cardinals bis Pferderennen

Boxen spielt in Louisville trotzt Ali nicht die Hauptrolle. Die Stadt wird geprägt von einer Vielzahl gigantischer Sportanlagen, die zum großen Teil von Mannschaften der University of Louisville genutzt werden. Die nach dem Staatsvogel von Kentucky, dem Cardinal, benannten Teams spielen Football, Baseball, Basketball und sogar Soccer - also richtigen Fußball... Im Focus der US-Öffentlichkeit jedoch steht mindestens einmal im Jahr eine andere Ikone: Churchill Downs. Die Galopprennbahn im Süden der Metropole ist Austragungsort des Kentucky Derby, das traditionell am ersten Maiwochenende des Jahres stattfindet. Und das seit über 150 Jahren. Damit ist das "Run for the Roses" genannte legendäre Pferderennen das älteste ununterbrochen ausgetragene Sportereignis in den Vereinigten Staaten. Auch wenn das Hauptereignis nach knapp zwei Minuten vorbei ist, so finden in Churchill Downs jährlich bis zu 700 Pferderennen statt. Die Stallungen, Unterkünfte für Jockeys und deren Ausbildung sind mittlerweile zu einer richtigen Stadt herangewachsen. Alles zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Pferdesports findet der Besucher im Kentucky Derby Museum, mittlerweile sogar interaktiv.

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Ebenfalls das ganze Jahr über ein Besuchermagnet ist die Louisville Slugger Factory in historic downtown. Hier werden die offiziellen Schläger der Major League Baseball hergestellt. Geradezu ein Wallfahrtsort für baseballverrückte Amerikaner. Die können dabei zusehen, wie das Arbeitsgerät ihrer Idole nach Wunsch und Maß gedrechselt wird - auf deutschen Maschinen übrigens. Das Fabrikgebäude ist selbst für Ortsunkundige nicht zu verfehlen, lehnt doch ein haushoher Baseballbat an der roten Backsteinwand.

Was nicht jeder über Kentucky weiß

  • Daniel Boone, der legendäre Trapper, gilt als "Vater Kentuckys", da er seinerzeit als einer der ersten das Gebiet erkundete. Seine Gebeine wurden nach Frankfort überführt.
  • Abraham Lincoln wurde in Kentucky geboren. Der 16. US-Präsident ebnete den Weg der Vereinigten Staaten zu einem modernen Industriestaat.
  • In Kentucky geborene bekannte Schauspieler sind: George Clooney (Lexington), Johnny Depp (Owensboro), Jennifer Lawrence (Louisville)
  • Kentucky Fried Chicken (KFC) Gründer Harland D. Sanders hat nie in den Streitkräften gedient. Den„Colonel of Kentucky“ bekam er 1935 ehrenhalber verliehen.
  • Obwohl traditionell eher republikanisch, regiert mit Andy Beshear bereits in der zweiten Legislatur ein Demokrat den Bundesstaat.
  • Die Chevrolet Corvette, der Sportwagen von General Motors, wird seit jeher in Kentucky gebaut, hat in Bowling Green ein eigenes, das National Corvette Museum.
  • 1875 reicherte John Colgan aus Louisville erstmals Chicle-Kaugummis mit Aromastoffen an. Daher gilt Kentucky als Geburtsort des modernen Chewing Gum.

Just ad Bourbon

Ali, Derby oder Team-Sport - man mag es kaum glauben, aber in der Aufmerksamkeitsskala bei der Tourismusvermarktung spielt noch etwas ganz anderes unangefochten die Hauptrolle: Der Bourbon. Das Nationalgetränk des Bundesstaates schlechthin. Dessen Art des amerikanischen Whiskeys wurde einst ausschließlich in Kentucky gebrannt nach gesetzlich geschützter Rezeptur. Und weil die einen Mindestanteil von 51 Prozent Mais (Corn) vorschreibt, bezeichnen man hier die braune hochprozentige Flüssigkeit augenzwinkernd auch gern als Gemüse. Die Lagerung in zuvor angekokelten Eichenfässern ist nicht nur Bedingung, sie bringt auch den rauchigen Geschmack mit. Mittlerweile darf Bourbon zwar in den ganzen USA hergestellt werden, tatsächlich aber finden sich die meisten Destillerien im Heimatland Kentucky. Eine und dazu die älteste Whiskey Company - Michter's - hat gleich gegenüber von Louisville Slugger eine Show-Niederlassung. Hier kann exemplarisch der Brau- und Brennprozess betrachtet und das Ergebnis natürlich verkostet werden. Das Gebäude ist dazu Teil des Kentucky Bourbon Trails. Die Touristenroute verfügt über rund 50 Stationen im gesamten Bundesstaat und führt in einer Hauptachse nach Lexington, ca. 1,5 Autostunden von Louisville entfernt.

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Geburtsort des co*cktails

Auf dem Weg dorthin erklärt sich der Beinname der zweitgrößten Stadt Kentuckys:„Pferdehauptstadt der Welt“. Die Fahrt geht kilometerweit an Koppeln vorbei, die zwar meist mit weißen Doppelzäunen eingegrenzt werden, aber immer noch riesig im Vergleich zu dem erscheinen, was man von Deutschland her kennt. Nicht weniger als 450 Pferdehöfe gibt es hier, auf denen - natürlich - vor allem Rennpferde gezüchtet werden. Und es fehlen auch die Rennbahnen nicht, wenngleich keine an die Bedeutung von Churchill Downs heranreicht. Bourbon ist das andere große Thema, vor allem in der reichhaltigen und bunten Barszene der City. Irgendwo hier muss einst der "Old Fashined", der Urvater aller co*cktails, erfunden worden sein. Bourbon, Bitter, Orangenschale und Zuckersirup statt Würfelzucker - ein Rezept für die Ewigkeit, das mitunter Modifizierungen erfährt. Derzeit wird der Drink gern nachträglich noch "gesmoked", indem Holzspäne über dem fertigen co*cktail entzündet werden. Wer es gern pur mag, für den haben die Bartender noch einen Tipp parat: Sollte der Bourbon zu streng schmecken, bewirken ein, zwei Tropfen Wasser erstaunliches.

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Feuerwasser und nordische Mythologie

Wer jetzt noch keinen Kater hat, macht auf dem Weg nach Louisville zurück einen Abstecher in Bardstown, der zweitältesten Stadt des Bundesstaates. Auch diese trägt einen Beinamen, der nicht unbescheiden daherkommt: Bourbon Capital of the World. Zumindest für die Größe des Ortes ist die Anzahl der Brennereien beachtlich. Und was auf den ersten Blick wie Neubausiedlungen aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als mehretagige Lagerhäuser für die Bourbon-Fässer. Im Zentrum selbst dann gibt es mehr als 50 historische Gebäude zu bestaunen, die für US-Verhältnisse wirklich alt sind. Und eine weitere Volkssportart der Amerikaner macht auf sich aufmerksam: Golf. Umgeben von Destillerien und Weiden findet sich mit dem 1933 eröffneten My Old Kentucky Home Golf Course einer der beliebtesten PGA- und Golfplätze des Landes. Allerdings nicht der berühmteste: Valhalla, der nordischen Mythologie nach der Ruheort für in der Schlacht gefallenen Wikinger, gab dem Meisterschaftsplatz vor den Toren von Louisville den Namen. Eingebettet in die für Kentucky so typischen Wälder und Auen ziehen sich hier fast schon majestätisch 18 hügelige Spielbahnen durch die Natur, auf denen bereits viermal die Elite des Golfsports ihr wichtigstes Event ausgetragen hat: Die PGA Championship, letztmalig heuer im Mai. 2008 errang Team USA zudem in Valhalla einen der wenigen Siege der jüngeren Vergangenheit über die Europäer im prestigeträchtigen Kontinentalvergleich Ryder Cup.

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Limestone - Reinheit aus dem Untergrund

Nicht zu sehen, aber doch in aller Munde, ist Limestone. Weite Teile Kentuckys stehen auf diesem uralten Kalkstein, der besondere Filtereigenschaften besitzt. Und die sind, wir ahnen es, natürlich mit für den guten Geschmack des Bourbon wichtig. Zudem kann man u.a. rund um Louisville unbedenklich aus den Leitungen trinken, da der Limestone für absolut sauberes Grundwasser sorgt. Das ist nicht unbedingt typisch für die USA. Ob seiner besonderen Eigenschaften wird Limestone sogar abgebaut. Ein ehemaliges und durchaus beeindruckendes Bergwerk ist Mega Cavern. Aufgrund ihrer Stützpfeiler-Struktur ist die Mine als Gebäude klassifiziert und mit rund 370 000 Quadratmetern das größte im Bundesstaat. 30 Meter unter der Erde diente es im Kalten Krieg als Atomschutzanlage. Heute ist die Mine Freizeitpark mit Besichtigungstouren, Zipline und bunten Lichtspektakel um die Weihnachtszeit.

In Tradition von Wildwest?

Wer über die US-Südstaaten spricht, kommt am Thema Waffen nicht vorbei. Kentucky gehört zu denjenigen Bundesstaaten, in denen der Besitz und das (verdeckte) Tragen von Waffen schon aufgrund der Verfassung erlaubt ist. Während man hierzulande diese Verhältnisse gern und teils hysterisch mit Wildwest vergleicht, haben die Einwohner selbst offensichtlich ein eher entspanntes Verhältnis zum Thema. Es spielt im alltäglichen Umgang so gut wie keine Rolle. Man positioniert sich erst, wenn konkret darauf angesprochen. Und Kontrollen beim Einlass in den Club oder die Bar gibt es auch kaum, gleichwohl bei Großveranstaltungen Flughafen-Sicherheitstechnik zum Einsatz kommt. Besucht man einen Gun-Shop manifestiert sich der Eindruck, dass Waffen aller Art zum Alltag gehören. Teils groß wie ein Supermarkt stöbern hie ganze Familien im breiten Angebot aller Kaliber und Ausführungen. Die billigste Pumpgun für unter 200 Dollar. Wer nicht in den Weiten des Landes auf die beliebte Truthahnjagd geht, kommt zum Schießen auf die Shooting-Range wie andere zum Tennisspiel, das eigene Equipment dabei. Zehn Dollar die halbe Stunde. Für weitere 20 kann jeder über 18 eine Pistole nebst Munition ausleihen.

Überraschend, mehr als erwartet

Kentucky und Louisville überraschen auf der ganzen Linie. Die Landschaft weit und grün, die große Stadt nicht minder. Geprägt von viktorianischen Häusern, dem größten Bestand außerhalb Englands, fühlt sich der Besucher eigentlich nur in Downtown wie in einer amerikanischen Metropole. Aber selbst hier tobt im Entertainment-Viertel Fourth Street das Leben und geben sich nicht nur Banker die Klinke in die Hand. Wenige Fahrminuten außerhalb des Zentrums kann man am Ohio-River echt idyllische Stunden erleben oder mit einem typischen Raddampfer wie der "Belle of Louisville" über den Strom schippern. Outdoor-Sport wird großgeschrieben, nicht nur beim Golf. Pferdefreunde und Bourbon-Genießer dürften uneingeschränkt auf ihre Kosten kommen. Am Ende großartig und wirklich mehr, als erwartet.

Kentucky - Infos

Offizielle Bezeichnung:Commonwealth of Kentucky, einst der 15. Staat der USA, Beiname Bluegrass State

Lage: Im Mittleren Westen der USA, grenzt an den Süden.

Klima: Gemäßigt feucht-subtropisch mit heißen Sommern und kühlen Wintern, liegt im Durchzug verschiedene Sturmsysteme

Anreise: Von Berlin/Brandenburg aus mit United Airlines täglich (bis Ende Oktober) nach Newark/New Jersey, dann weiter nach Louisville, ca. zwei Stunden. Weitere Verbindungen nach Newark über Frankfurt (Main) und München. Wegen der Immigration in Newark genügend Umsteigezeit einplanen.

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